WEG-Reform: Was denn jetzt schon wieder?

- Die Felder dieses Gebietes sind neu bestellt -

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Am 22.10.2020 wurde das Gesetz zur Modernisierung des Wohnungseigentumsrechts im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. I 2020, 2187). Es ist mit Wirkung zum 01.12.2020 in Kraft getreten.

Eine Vielzahl von Veränderungen wird in der notariellen Praxis, in der täglichen Verwaltung und in Streitsachen vieler Art ab sofort zu beachten sein. Auslöser der Reform waren die Vorschriften zu baulichen Veränderungen. Etwa erhält der einzelne Eigentümer einen Anspruch auf bauliche Maßnahmen zur Errichtung einer Lademöglichkeit für Elektro-Kraftfahrzeuge, zum Glasfaseranschluss, zum Einbruchschutz und zur Barrierereduzierung (§ 20 Abs. 2 WEG n.F.). Im Grundsatz können bauliche Maßnahmen durch die Versammlungsmehrheit beschlossen werden (§ 20 Abs. 1 WEG n.F.). Es bedarf nicht mehr der Zustimmung aller „beeinträchtigten“ Wohnungseigentümer, um dem erhöhten Sanierungsbedarf im Vergleich zu anderen Anlagen (auch energetisch) zu begegnen. Kosten sind im Fall der Amortisation oder bei einer Beschlussfassung durch höhere Mehrheit als 2/3 und die Hälfte der Miteigentumsanteile von allen, im Übrigen nur von den zustimmenden Miteigentümern zu tragen (§ 21 WEG n.F.).

Es steht die Ausgestaltung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu einem schlüssigen verbandsrechtlichen Konzept im Vordergrund (§ 9a WEG n.F.). Auch die Beschlussklage wird zum Verbandsprozess (§ 44 WEG). Gleichzeitig wird die Versammlung der Wohnungseigentümer als oberstes Organ für die Willensbildung innerhalb der Gemeinschaft gestärkt. Sie erhält unbeschränkte Weisungsbefugnis gegenüber dem Verwalter (§ 27 WEG n.F.), der neu auch jederzeit abberufen werden kann (§ 26 Abs. 3 WEG n.F.).

Dabei entscheidet die Eigentümerversammlung (neu) stets mit einfacher Beschlussmehrheit (§ 25 Abs. 1 WEG). Ein gesetzliches Quorum für die Beschlussfähigkeit besteht nicht mehr. Die Online-Teilnahme kann gestattet werden und die Frist zur Einladung zur Eigentümerversammlung beträgt neu 3 Wochen (§ 24 Abs. 4 Satz 2 WEG n.F.).

Die Transparenz wegen der Vorgaben für den Wirtschaftsplan / die Jahresabrechnung wurde gestärkt, das Einsichtsrecht der Wohnungseigentümer festgeschrieben (§ 18 Abs. 4 WEG n.F.) und die Flexibilität für den Beirat als Bindeglied zwischen Gemeinschaft und Verwaltung in den Vordergrund gerückt (zu allem: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, vor § 1 WEG Rdn. 11 ff.).

Hinzu kommen ganz neue Bestimmungen zur Begründung von Sondereigentum auch an Stellplätzen und Grundstücksflächen im Freien (§ 3 Abs. 2/3 WEG n.F.) und die Gemeinschaft entsteht als solche auch uneingeschränkt wirksam, wenn diese, z.B. in den Fällen der Aufteilung auf Vorrat, noch nur aus 1 Person entsteht (§ 9a Abs. 1 Satz 2 WEG n.F.). Und Beschlüsse können, wenn diese auf Rechtsnachfolger wirken sollen, unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 WEG zur Erhöhung der Rechtssicherheit für die Gemeinschaft auch im Grundbuch eingetragen werden (Palandt, a.a.O., vor § 1 Rdn. 13). Viele Grundlagen dieses Rechtsgebiets werden damit in der bevorstehenden Zeit ganz neu diskutiert werden müssen, zu verändertem Verhalten in der Rechtsprechung führen und auch in der Literatur neu in der Diskussion stehen.

Einzelne Normen

Im Vordergrund stehen insbes. die nachfolgenden Bestimmungen neu:

▪       § 3 Abs. 1/2

Stellplätze gelten als Raum im Sinne der Vorschrift. Das Sondereigentum kann auf Grundstücksteile außerhalb des Gebäudes erstreckt werden. Die Räume im Bauwerk müssen aber wirtschaftlich die Hauptsache sein.

▪       § 8 Abs. 3

Der Erwerber von Wohnungseigentum gilt im Rechtsverhältnis zur Gemeinschaft schon als Eigentümer, wenn für ihn eine Auflassungsvormerkung eingetragen ist und der Besitz am erworbenen Sondereigentum eingeräumt ist.

▪       § 9a Abs. 1

Die Eigentümergemeinschaft entsteht mit der Anlegung der Grundbücher nach der Aufteilung. Die Gemeinschaft ist rechtsfähiges Gebilde und nimmt alle Rechte der Wohnungseigentümer wahr, die die einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Gleiches gilt für die Pflichten.

▪       § 9b Abs. 1

Die Gemeinschaft wird vom Verwalter außergerichtlich und gerichtlich vertreten. Gibt es keinen Verwalter, vertreten die Eigentümer gemeinschaftlich.

▪       § 10 Abs. 3

Vereinbarungen, die von gesetzlichen Bestimmungen abweichen, wirken gegen Rechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Gleiches gilt für Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden.

▪       § 20 Abs. 1/2

Bauliche Veränderungen erfordern einen Beschluss der Wohnungseigentümer. Jeder Wohnungseigentümer kann eine bauliche Veränderung verlangen, wenn diese den Gebrauch durch Menschen mit Behinderung, dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge, dem Einbruchschutz oder der Verbesserung der Kapazität im Telekommunikationsnetz dient.

▪       § 25 Abs. 1-3

Jede Versammlung der Eigentümergemeinschaft ist unabhängig von der Zahl anwesender Sondereigentümer beschlussfähig. Die Einberufungsfrist beträgt neu 3 Wochen. Stimmrechtsvollmachten können in Textform erteilt werden. Einzelne Eigentümer können von der physischen Präsenz durch Zulassung der Teilnahme auch virtuell befreit werden.

Ausrutscher

Allerdings geht es auch beim modernisierten Gesetz nicht ohne Lücken. So ist etwa für die Durchführung von Anfechtungsverfahren gegen einen Negativbeschluss verbunden mit einem Antrag gem. § 21 Abs. 8 WEG (a.F.) die Rechtsgrundlage entfallen. Nur nach altem Recht durfte das Gericht anstelle der Wohnungs- und/oder Teileigentümer (unter bestimmten Voraussetzungen) nach billigem Ermessen entscheiden, wenn die Sondereigentümer eine erforderliche Maßnahme nicht oder nicht ausreichend beschlossen hatten (§ 21 Abs. 8 WEG a.F.).

Die vorgenannte Norm ist mit der Reform aufgehoben worden und inhaltsähnlich in § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG (n.F.) neu geregelt. Diese „Verschiebung“ der Norm aus dem materiell-rechtlichen Teil des WEG in das prozessuale Segment bedeutet aber nun (im Gesetzgebungsverfahren unerkannt) für „Altverfahren“, dass einerseits § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG (n.F.) auf Altfälle noch keine Anwendung findet, andererseits aber § 21 Abs. 8 WEG (a.F.) ebenfalls nicht mehr gilt. Hierwegen ist in solchen Altverfahren die laufende Beschlussersetzungsklage letztlich unzulässig geworden (Kirst, ZMR 20, 1016).

Denn: Neu gefasste materiell-rechtliche Regelungen dürfen nicht rückwirkend bei der Beurteilung von Beschlüssen angewendet werden, die vor dem 01.12.2020 gefasst wurden (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 48 Rdn. 18). Gleiches gilt, wenn anderes Handeln der Gemeinschafter aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der jetzt gültigen Norm (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG n.F.) zu beurteilen ist (§ 48 Abs. 5 WEG n.F.).

Autor:

Christian Bargmann, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Telefon: 0471.946 94-21
Telefax: 0471.946 94-56

E-Mail:   bargmann@dr-ensenbach.de

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