Erbbaurecht: Buch mit 7 Siegeln?

- Für jeden der ein Erbbaurecht hat oder erwirbt -

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Fall

Der Verkäufer V hat im südlichen Niedersachsen ein Haus. Das Grundstück ist ein Erbbaurecht. V will es für EUR 120.000,00 verkaufen. Der Makler Zack präsentiert den Käufer Endlich. Der Käufer will EUR 160.000,00 finanzieren und über diesen Betrag am Kaufobjekt auch eine Grundschuld eintragen lassen. Er möchte den Kaufpreis, die Kaufnebenkosten, die bevorstehende Renovierung und den Erwerb der Einbauküche mitfinanzieren.

Die Parteien gehen zum Notar Husch, den der Käufer aus dem Turnverein kennt. Der weiß von Erbbaurecht wenig, formuliert aber seinen Grundstückskaufvertrag etwas um, bereitet die Grundschuldbestellung auf dem Bankformular vor und freut sich auf die Beurkundung.

Später kann der Kaufvertrag nicht durchgeführt werden, weil der Grundstückseigentümer die Zustimmung zur Belastung verweigert. Er verweist auf die dazu einhellige Rechtsprechung.

Der Verkäufer fragt, was ihn das anginge. Der Käufer versteht nur Bahnhof. Der Makler fragt, wann er seine Provision erhält. Auch der Notar hilft nicht weiter. Er teilt mit, er protokolliere nur und müsse sich im Übrigen neutral verhalten. Was ist passiert?

Erbbaurecht

Das Erbbaurecht ist das Recht, auf dem Grundstück eines Dritten ein Bauwerk zu haben. Das Eigentum am Grundstück und das Eigentum am Bauwerk (Wohngebäude / Garage(n) oder gewerbliche Bauten jeder Art) fallen also auseinander. Das gilt auch, wenn das Erbbaurecht an einem schon errichteten Gebäude bestellt wird. Es entsteht eine Art „künstliches Grundstück". Mit dem Erbbaurecht kann der Erbbauberechtigte für die Dauer des Erbbaurechts (sehr weitgehend) so verfahren wie ein Grundstückseigentümer. Er kann das Erbbaurecht auch belasten, verkaufen, es kann vererbt werden.

Die Bestimmungen des ErbbauRG lassen es aber zu, Bindungen und Beschränkungen vorzusehen, die insbes. die Situation und die Bedürfnisse des hinter dem Erbbaurecht stehenden Grundstückseigentümers berücksichtigen. Ziel ist es dabei insbes., Gefährdungen für das Erbbaurecht, etwa auch aus Überbelastungen heraus, zu vermeiden.

Das Erbbaurecht ist ein Recht auf Zeit. Mit Ablauf der Zeit, für die es bestellt ist, löst sich das quasi „künstliche Grundstück“ auf und geht im Eigentum des Grundstückseigentümers „unter“. Der frühere Erbbauberechtigte ist in diesem Fall zumeist nach vertraglichen Regelungen zu entschädigen. Bei Wohngebäuden muss die Entschädigung mind. 2/3 des jeweiligen Verkehrswertes betragen.

Technik

Viele technische Schwierigkeiten, die mit dem Erbbaurecht bisher verbunden waren, sind durch Gesetzesänderungen zwischenzeitlich ausgeräumt:

  • Es ist jetzt möglich, Anpassungen in der Höhe des Erbbauzinses, die etwa durch Veränderungen der Geldwertverhältnisse veranlasst sind, ab Begründung des Erbbaurechts zwischen den Vertragsteilen fest, mit dinglicher Wirkung und eingetragenem Grundbuch zu vereinbaren.

Das komplizierte Verfahren zur Anpassung des Erbbauzinses nach den Regeln älterer Erbbauverträge ist damit überflüssig, wenn der Erbbauzins sogleich dinglich dynamisch gestaltet ist.

  • Auch für das Verhältnis zwischen Grundstückseigentümer und finanzierenden Banken/Sparkassen kann der Erbbauzins nach jetzt geltendem Recht „vollstreckungsfest“ gestaltet werden, so dass im Fall einer Zwangsvollstreckung nicht mehr die Gefahr droht, dass der Grundstückseigentümer wegen der Zwangsvollstreckung seinen Anspruch auf Zahlung des Erbbauzinses verlieren könnte.

  • Im Fall der Ausgestaltung des Erbbauzinses durch „vollstreckungsfeste Reallast“ verliert der Grundstückseigentümer die Möglichkeit, bei einer Versteigerung des Erbbaurechts wegen rückständiger Erbbauzinses auch die künftig noch fällig werdenden Beträge zu kapitalisieren. In der Praxis besteht dieser Wunsch i.d.R. aber auch nicht.

Bestehende Erbbaurechte „alter Fassung“ können den Neuregelungen durchaus auch modernisiert angepasst werden. Oft empfiehlt sich dies wegen der danach besseren und leichteren Handhabe.

Begründung des Erbbaurechts

Der bei der Begründung des Erbbaurechts entstehende Erbbaurechtsvertrag hat bestimmte notwendige oder aus sonstigen Gründen regelmäßige Inhalte.

  • Gegenstand / Nutzung

Es muss das Grundstück bezeichnet sein, an dem das Erbbaurecht bestellt wird. Die Art der Nutzung muss geregelt sein. Diese besteht in dem Recht und i.d.R. auch in der Pflicht, auf dem betroffenen Grundstück ein Gebäude zu errichten oder zu haben. Das zulässige Maß der wirtschaftlichen Ausnutzung muss/soll beschrieben sein.

  • Dauer

Von der Laufzeit her werden i.d.R. Zeiten zwischen 75 und 100 Jahren (oftmals: „99 Jahre“) festgelegt. Die Errichtung des Bauwerkes soll sich für den Erbbauberechtigten ja „lohnen“. Banken und Sparkassen stellen Darlehensmittel i.d.R. auch nur zur Verfügung, wenn das Erbbaurecht ausreichende Laufzeit hat.

  • Erhaltung / Versicherung

Der Erbbaurechtsvertrag sieht regelmäßig die Pflicht zur Instandhaltung des Gebäudes vor. Sonst könnte der Erbbauberechtigte das Bauwerk verfallen lassen.

Das Bauwerk muss gegen Brandschäden und auch sonst gegen übliche Gefahren versichert sein. Für den Fall der Zerstörung ist – i.d.R. – die Pflicht zum Wiederaufbau vorgesehen.

  • Lasten / Erschließung

Der Erbbauberechtigte hat nach vertraglicher Regelung i.d.R. die für das Grundstück und das Erbbaurecht anfallenden Steuern, Abgaben und sonstige Lasten zu tragen. Neben der Grundsteuer gehören dazu auch etwaige Aufwendungen für die Erschließung und Anschlussgebühren.

  • Zustimmung zur Veräußerung

Regelmäßig wird auch vorgesehen, dass die Veräußerung des Erbbaurechts nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers erfolgen darf. Der Grundstückseigentümer hat sich die ursprüngliche Person des Erbbauberechtigten als Vertragspartner ja „ausgesucht“ und möchte wissen, wer im Fall einer Veräußerung oder Übertragung des Erbbaurechts in sonstiger Weise neuer Vertragspartner wird.

Die Zustimmung zur Veräußerung in diesem Sinne kann verlangt werden, wenn durch die Veräußerung der mit dem Erbbaurecht verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet wird. Insbes. muss der Erwerber Gewähr für die ordnungsgemäße Erfüllung der sich aus dem Erbbaurechtsvertrag ergebenden Verpflichtungen bieten.

  • Zustimmung zur Belastung

Im Interesse des Grundstückseigentümers soll auch verhindert werden, dass der Erbbauberechtigte das Grundstück beliebig belastet oder überlastet, da solche Belastungen beim Heimfall durch den Grundstückseigentümer zu übernehmen sind, selbst wenn diese die Entschädigungssumme für das Gebäude überschreiten.

Daher muss die beabsichtigte Belastung mit Finanzierungsgrundpfandrechten (Grundschulden / Hypotheken) mit den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar sein. Auch hier darf der mit dem Erbbaurecht verfolgte Zweck nicht wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet werden.

Die Belastung ist mit den Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar, wenn diese sich im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Erbbaurechts hält. Das Ganze ist dann fallbezogen zu beurteilen, ganz regelmäßig ist eine Belastung bis zu einer Betragsgrenze von ca. 60 – 70 % des Wertes des Erbbaurechts erreichbar.

  • Vorkaufsrechte

Oftmals werden einseitige oder gegenseitige Vorkaufsrechte vereinbart, nach denen der Grundstückseigentümer im Fall einer Veräußerung des Erbbaurechts in diesen Kaufvertrag eintreten kann. Umgekehrt kann auch zugunsten des jeweiligen Erbbauberechtigten ein Vorkaufsrecht vereinbart sein, nach dem der jeweilige Erbbauberechtigte im Fall einer Veräußerung des Grundstücks auch das Grundstück (hinzu-)erwerben kann. Vorkaufsfälle sind dann jeweils in der gebotenen Form mitzuteilen, die Ausübungserklärung für das Recht beträgt i.d.R. 2 Monate. Üblich ist es, auch vor Fristablauf bereits Erklärungen über den Verzicht auf die Ausübung des entsprechenden Rechts zu erklären, wenn klar ist, dass der Berechtigte den Eintritt nicht wünscht.

  • Heimfall

Der Heimfall ist Sanktion für Verstöße des Erbbauberechtigten gegen vertragliche Verpflichtungen (fehlerhafte Verwendung des Bauwerkes / unterbleibende Instandhaltung / nicht erfolgte oder nicht ausreichende Versicherung des Bauwerkes / Nichtzahlung des Erbbauzinses etc.). Der Heimfall bedeutet, dass der Grundstückseigentümer die Übertragung des Erbbaurechts bzw. des Gebäudes auf sich verlangen kann. Belastungen des Erbbaurechts muss der Grundstückseigentümer hierbei übernehmen, der Erbbauberechtigte ist in der vereinbarten Höhe (bei Wohngebäuden mind. 2/3 des Grundstückswertes) zu entschädigen.

  • Erneuerung

Erbbaurechtsverträge enthalten ebenfalls ganz regelmäßig Bestimmungen über das Vorrecht des Erbbauberechtigten auf Erneuerung des Erbbaurechts im Fall bevorstehender Beendigung. Die rechtliche Stellung des Erbbauberechtigten entspricht hierbei der eines Vorkaufsberechtigten.

  • Erbbauzins

Der Erbbauzins ist das Entgelt, das der Erbbauberechtigte für die Inanspruchnahme von Grund und Boden zahlt. Die Höhe unterliegt freier Vereinbarung, oft als Prozentsatz aus dem Verkehrswert des Grundstückes ermittelt.

Dabei wird das Risiko einer Veränderung der Geldwertverhältnisse i.d.R. durch Wertsicherungsklausel geregelt. Der Erbbauzins verändert sich dann nach oben oder unten, als Maßstab wird (nahezu ausschließlich) der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Deutschland verwendet.

Und jetzt

Endlich weiß nicht weiter. Er findet aber jetzt durch Nachfragen in Fachkreisen einen Berater, der das Rechtsgebiet im Griff hat. Schnell wissen beide Vertragsparteien dann, dass alles Abgelaufene nicht hätte geschehen dürfen.

Die Belastung des Erbbaurechts ist nach § 7 Abs. 2 ErbbauRG nur zulässig, wenn diese mit den Regeln der ordnungsgemäßen Wirtschaft vereinbar ist. Dabei lässt die gebotene Interessenabwägung die Belastung i.d.R. nur bis zur Höhe von ca. 60-80 % des Verkehrswertes des Erbbaurechts zu (v. Oefele/Winkler u.a., Handbuch Erbbaurecht, 6. Aufl., § 4 Rdn. 234-236; Palandt, BGB, 78. Aufl., § 7 Rdn. 5 / jeweils m.w.N.).

Endlich fragt, ob ihm das nicht irgendjemand hätte früher sagen können oder müssen. Hinweise dazu finden Sie demnächst im Folgepapier.

Autor:

Dr. H.-P. Ensenbach, Rechtsanwalt und Notar

Telefon: 0471.946 94-13
Telefax: 0471.946 94-55

E-Mail:   bremerhaven@dr-ensenbach.de

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